Von Ängsten, Suizid und der Klapsmühle

Von Ängsten, Suizid und der Klapsmühle

Im Folgenden versuche ich dir versonnener Miene eine in summa aufs Nötigste komprimierte Retrospektive ob meiner vergangenen 12 Monate unterzujubeln; jenes inmitten meines letztsommerlichen Tiefpunktes in der Klapse und just dem heutigen Tage gelegenen, recht orkanisch anmutenden Zeitraumes [Siehe auch]. Im Grunde genommen schwadroniere ich nachstehend über: Angst, die.

Denn haarsträubende Ängste per se waren stets treue Begleiter meines knuddelmuddrigen Lebens. Ich besaß derer mannigfaltig: Ängste, psychisch verletzt zu werden. Ängste, unfreiwillig geoutet zu werden. Ängste, nicht Teil der mich umgebenden Allgemeinheit zu sein – obgleich ich zu Schulzeiten ohnehin dem tristen Außenseitertum zugehörte [Siehe auch]. Ängste, als grundlegend andersartig empfunden zu werden; rückblickend zurecht. Ängste, dass einst ein Mensch mein Inneres schaute; jenes düstere, aus Intrigen, Schwärze, Lethargie, Hass und Vernichtung gewobenes Sammelsurium; der Depression reinste Essenzen [Siehe auch].

Tag ein Tag aus ward ich demzufolge erpicht darauf gewesen, diesen mir innewohnenden Ängsten per aggressiven, richtiggehend kriegerischen Akten entgegenzuwirken – verbrannte Seelenerde. Indem ich Furcht verursachende Konstellationen gekonnt vermied respektive, diese routiniert terminierte; zum einen. Zum anderen dadurch, dass ich zum regelrechten Kontroll-Freak mutierte. Ich übte Gewalt über meine Geleit gebenden Zeitgenossen aus, war gedanklich immer einen, ach was, drölfzig Schritte voraus. Durchdachte jedes mitunter eintretende Szenario meines betrüblichen Alltags, mehrfach. Um auf alle Reaktionen und Tätigkeiten meiner mich geleitenden Schar lückenlos vorbereitet zu sein. Gleich, was auch Übles geschehen vermochte, ich erwartete es.

Mehr noch, ich konstruierte ein Lügendickicht ob meiner Selbst – zur aktiven Steuerung dessen, wie mich Menschen erfuhren respektive welche Aspekte meines Wesens sie zu kennen gedachten. All dies kostete mich physische Energie en masse, laugte aus, trieb mich folgend hinab in die teuflische Spirale meines formal nonexistenten Ichs. Erdachte Lügen mussten aufrechterhalten werden, Fortsetzungen selbiger gemerkt und weitergesponnen, um nicht zufällig durch marginale Versprecher aufzufliegen. Klar, wer lügt, hat die Wahrheit immerhin gedacht; faule Ausrede und schwacher Trost. Doch ich trieb weiter der Speeres Spitze entgegen: Beobachtete argwöhnisch meine Mitmenschen, lernte, kontrollierte und manipulierte in Maßen jenseits von Gut und Böse. Übte auf andere Personen gar solchen Einfluss und scheele Wirkung aus, dass ich einen geliebten Freund en passant in den Suizid trieb – lediglich hervorgerufen durch Kontrolle und Manipulation aus der Distanz. Einzig, ich fühlte mich dadurch entschieden sicherer, ward überzeugt gewesen von meiner Antiphobiekampagne – doch zu welchem Preis? Klar wie Kloßbrühe: Selbstverleugnung, Panik, Lügen, Einsamkeit und Eigenhass. Der Taten Lohn: negative Gefühle reinster Ausprägung – über alles hat der Mensch Gewalt, nur nicht über sein Herz. Ergo ward ich Gefangener meiner eigenen perfiden Schöpfung, konnte respektive durfte meinem dichten Geflecht aus tranigem Seemannsgarn nicht entfliehen, ohne mir die subversive Blöße zu geben und teuren Freunden jäh aufzuzeigen, dass sie in Wahrheit mit einer arglistigen Persiflage meiner Gestalt befreundet waren.

Ich war ängstlich, hob über die Jahre hinweg einen metaphysischen Überwachungsstaat aus der Taufe; 1984 reloaded. Dies Konstrukt brach im Jahre 2010 Krony sei dank gnadenlos ein und verkehrte sich wider Erwartens in jedweder Beziehung ins Vorteilhafte, doch die ureigenen immanenten Ängste blieben – und verstärkten sich gar noch. Resultierten weniger in nach außen gerichteter, denn nach innen gerichteter Verblendung; ich verlor mehr oder minder jeglichen Bezug zu meinem Ego. Verbarg mich vor meinem inneren Ich; ja hatte von nun an alle möglichen Ängste vor mir selbst. Nun, Angst haben wir alle. Der Unterschied liegt in der Frage: Wovor?

Und heute? Fühle ich mich befreit von nahezu sämtlicher Angst; diese hat mithin nur, wer mit sich selber nicht einig ist.

Denn ich bin ich – und ich bin. Punkt. Scham ist mit fremd, ich stelle mich unverlangt bloß, präsentiere ichbewusst, fast schon arrogant umstandslos Sonnen- als auch Schattenseiten meiner eigenen Persönlichkeit. Ich stehe über allem. Erniedrigungen und Beleidigungen fruchten nicht mehr länger, da sie mich justament in keinster Weise zu treffen imstande sind. Im Gegenteil, den meisten schlagfertigen Diffamierungen komme ich durch mein stolzes Auftreten mit einem kecken Grinsen entschärfend entgegen. Ja, ich bin Nutte, Arschloch, Sperma-Boy (danke, Lisa ♥), Eskalateur, Schwuchtel und Schwachmat zugleich. Und weißte was? Stimmt. Wennde meinst, soll das eben so sein – Angriffsfläche adieu. Ich stehe zu mir, bin ein fehlerbehaftetes Wesen, mitnichten perfekt, womöglich bei näherer Betrachtung gar maßlos enttäuschend. Die reinste Form von Selbstachtung ist Reduktion. Ein philanthropischer Archetyp ist perfekt, wenn man nichts mehr weglassen kann. Ergo: Wayne 🙂

Mehr noch, ich verschlampte (gnihihihi) aufgrund einstmaliger Intermezzos gar die Angst vor dem Tode. Im Angesicht des Faktums, das ich bereits zweimal gänzlich mit dem Leben abschloss und auf der süßen, einladend bereinigenden Schwelle gen flauschigen Jenseits stand – und jene Versuche dazu führten, dass ich fortan fürwahr allzeit den silbernen Löffel angeben könnte, vermag mich dies nicht mehr weiterhin zu beunruhigen [Siehe auch]. Ist nur ein weiterer unausweichlicher Vorgang im Daseien natürlicher Lebewesen, ein in Diamant gemeißeltes Naturgesetz. Vielleicht die naheliegendste Assoziation des abstrakten, blutgetränkten Gottes-Konstrukts.

Nomma: Ich fühle mich bar jeglicher arger Ängste.

Und das fühlt sich gut an. Ungewohnt. Erquickend. Befreiend. Leichtmutig. Vielleicht gar erhaben. Einmal mehr greift die fightclub’sche Regel: “Erst nachdem wir alles verloren haben, haben wir die Freiheit, alles zu tun!”. Howgh, Tyler Durden hat gesprochen!

Dies bedeutete freilich mitnichten, ich lebte ganz und gar gedankenlos; Pustekuchen. Taten, Äußerungen, ja sogar manch augenscheinlich kontraproduktiver Tweet meinerseits (Dickpics, Gelage, Orgien) werden nach wie vor wohl abgewägt und bedacht veräußert; ich verlor zwar die meisten Phobien, doch nicht meinen meines Erachtens gesunden Menschenverstand. Mehr noch, in mancherlei Hinsicht wurde ich wohl besonnener denn je zuvor; gerade, was zwischenmenschliche Beziehungen angeht [Siehe auch].

Und mich allen Ängsten zu entledigen, ward auch ich zuhinterst nicht fähig. Ein paar Kleine existieren bis heute, jedoch verschwindend gering in ihrer Dramatik denn im Vergleich zu früheren Schrecken. Es sind geradezu flauschige Ängste, fast nicht ernst zu nehmend. Banalitäten, welche vom äußeren Eindruck her monströs auftreten, sich letzten Endes jedoch als niedliches Lämmchen im blutüberströmten Wolfspelz herausstellen. Nichts, was die ideelle Impression wahrer Angst verdient hätte. Jene Grausen lassen sich recht komfortabel via wenige, klare Gedanken entmachten; einzig die Hürde besagten Denkens ist’s, was hierbei letztens die größte Herausforderung darstellt.

Liebe Angst, dir stehen fürwahr raue Zeiten bevor; du solltest deinen dir anhaftenden Wesenszug fortan vor mir selbst haben 😛

4 Kommentare

  1. Holy

    Ok, mit dem Titel hattest du mich.

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    • Krony

      Moin Holy,

      das ist ein klassischer Clickbait à la heftig.co – diente hier aber tatsächlich nur des Ausprobierens per se. Beschämend, aber den Statistiken nach erfolgreich. Leider.

      Verlockende Grüße, Krony

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  2. Hutmacher

    Ich möchte, nachdem du mich von ask.fm hier hergeleitet hast, nicht wieder ohne einen Kommentar gehen, bin aber noch ziemlich sprachlos.
    Als Germanist finde ich deinen Stil sehr ansprechend und die Art wie dein Text aufgebaut ist sehr gut.
    Dann kommt als Mensch mein Neid dazu, dass du diesen Status erreicht hast, in dem du dir selbst die Angriffsfläche und Angst genommen hast. Ich ziehe meinen Hut davor und frage mal unschuldig mit dem Messer blitzend, ob ich nicht ein Scheibchen von dir abschneiden kann.
    Lange Rede, kurzer Sinn, ich wünsche dir alles Gute, werde mir sicherlich bei Zeiten noch viel mehr von deinen Texten zu Gemüte führen und bin dabei gespannt welche Auswirkungen dies auf mich hat.

    Hochtiefergebens, der verrückte Hutmacher

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    • Krony

      Moinmoin Hutmacher,

      negative Einschnitte im Leben vermögen im Laufe der Zeit selbst weichmetallige Wesen zu hartem Titan zu schmieden. Und derer gab es einiges. Ich zog meine Lehren aus den Ereignissen meiner Vergangenheit; und eben jene befähigen mich dieser Tage hierzu, offen aufzutreten und zur öffentlichen Repräsentation meiner selbst zu stehen. Dies geht Hand in Hand mit einer merklichen Reduktion besagter Angriffsflächen einher.

      Die Auswirkungen der hier publizierten Texte (welche sprachlich je nach Tageszeit und Form variieren) auf dein Wesen wiederum interessierten mich brennend; Rückmeldungen, sofern von Relevanz, sind daher jederzeit willkommen 🙂

      In diesem Sinne: Ich ziehe meinen Hut vor dir, Krony

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