Kommuni­kations­widrig­keiten

Kommuni­kations­widrig­keiten

Die ausklingenden Tage des vergangenen Jahres 2016 präsentierten sich meiner Wenig-, eh, Großartigkeit in sowohl frustrierender als auch faszinierender Manier. Frustrierend, da mein offensiv geäußertes Desinteresse an den mein unbedeutend Ich umgebenden Zeitgenossen neue betrübliche Rekorde erklomm; faszinierend, da ich Mensch sei Dank gleichsam taufrische Persönlichkeiten kennenlernen durfte, welche jene absolute Gleichgültigkeit womöglich langfristiger denn just temporär in brennende Neugierde zu verkehren vermögen.

Fakt ist, dass ich es leid bin, mit anderen Charakteren zu kommunizieren. Respektive allenthalben in entbehrliche Pläusche verwickelt zu werden. Klassischer Smalltalk etwa ist mit der eigenen kruden Persönlichkeit seit geraumer Weile unvereinbar; es behandelt stets dieselben Thematiken, bewegt sich unentwegt in ausgelutschten Mustern; bietet mir schlicht und ergreifend keinerlei erkennbaren Mehrwert. Ich empfinde ihn persönlich als schauderhaft langweilig und erschöpfend, er löst in mir ergo einen tosenden Tsunami blanker Lethargie aus, welchem angemessen zu Kontern utopisch erscheint. Wie es einem Gegenüber emotional ergeht, ob sich an seiner gegenwärtigen Präsenz diverse Wetterkapriolen entwickeln oder wessen mir fremder Bekannte mit irgendeinem Knilch ein freudiges Stelldichein vollzog – all dies tangiert mich nicht einmal mehr relativ peripher. Der Tragödie Unheil: Wo es den Rednern an Tiefe fehlt, da gehen sie in die Breite; Schmalsprech ist gelebte intellektuelle Insolvenz. Besagter Mangel an reziproker Anteilnahme trifft zwischenzeitlich auf jedwede reguläre verbale Kommunikationseinheit zu; ein Großteil der zwischen zweien oder mehreren Personen phonetisch transferierten Informationen ist meines Erachtens nichtigen Wertes. Sie dienen rein der plumpen Aufrechterhaltung fragwürdiger sozialer Gefüge und zwischenmenschlicher Berührungspunkte – und sind damit gleichfalls öde wie auch unproduktiv. Fürwahr, Gesprächspartner sind olle Kamellen. DU bist kalter Kaffee – und ich bin es im Umkehrschluss ebenfalls, gawd, ich verkörpere geradezu eine totalitär unaufregende Person im Endstadium.

Allein: Ich gelange zusehends zum trügerischen Schluss, dass mir Konversationen abseits triftiger Beweggründe und Perspektiven marginal wenig bis keinerlei immateriellen Ertrag bieten. Es fasziniert mich nicht, was andere Leute meines direkten sozialen Umfeldes erlebten, entdeckten oder in anderweitigen Datentransfers aufschnappten. Denn persönliche kann ich mit der durch solcherlei Gespräche erlangten Kunde nichts anfangen; derartige Worte wabern in das eine Ohr hinein und aus dem anderen jungfräulich wieder hinaus. Krankengeschichten, Sportereignisse, Klatsch & Tratsch, Gerüchte, Serien, Stars & Sternchen, Halbweisheiten und sonstige Banalität – all dies ist mir wuppe wie noch was; „schön für dich, weitergehen, da ist die Tür!” Gierte ich tatsächlich nach entscheidenden Fakten, so recherchierte ich sie ausführlich und unabhängig auf eigene Faust – oder erfragte sie mir im schlimmsten Falle gar persönlich von hierfür prädestinieren Persönlichkeiten. Und was ich der Umwelt mitzuteilen habe, teile ich ihr selbstbewusst, ungefragt und komprimiert mit – sofern es einem tieferen Nutzen anderer oder meiner selbst dient; es ist keine Kunst, etwas kurz zu sagen, wenn man etwas zu sagen hat. Alle weiteren Gelegenheiten akustischen Austausches sind in meinen Ohren ineffektiv und somit grundlegend obsolet; Egoismus in Reingeburt. Weshalb Menschen generell auf derlei unnötig-armselige und komplizierte Bräuche zur Kontaktpflege zurückgreifen, ist mir bisweilen schleierhaft; ein Kontakt ist ein Kontakt – und verliert mit voranschreitender Dauer weder an Gunst noch Relevanz; unabhängig von der obligatorischen Pflege Selbigem.

Ich erwischte mich zuletzt gar wiederholt dabei, wie meine unterforderte Person Wörter und ganze Sätze der Gegenüber aufgriff und selber rasch zu Ende sprach; ich entreiße anderen wortwörtlich das Wort, schneide es ihnen mit anderen Worten wortgewandt ab – überblicke ich doch in gefühlten 99,42 Prozent der durchschnittlichen Konversationen intuitiv, worauf meine Kommunikationspartner letztendlich hinaus wollen – und versuche, diese vorhersehbaren und somit drögen Vorgänge grimmig zu beschleunigen. Weswegen ich fürwahr manche Plauderei harsch und abrupt unterbreche und mit der flink zusammengefassten Quintessenz des im Gesamten kalkulierbaren Gesprächsabschnittes jegliches weitere unfruchtbare Ausholen im Keime ersticke.

Oh ja, Wortwechsel verlaufen, wie bereits erwähnt, quer durch unsere Gesellschaft primär in zyklischen (so wie diese Metawiederholung hier), von Geburt an von außen eingetrichterten Bahnen und Formen – und weisen nur allzu häufig eine für meine Wenigkeit zu geringe Informationsdichte auf. Sprächen Menschen indes nur von Dingen, von denen sie tatsächlich etwas verstünden, die hiermit einhergehende Stille wäre unerträglich. Unerträglich befreiend. Es stört mich einfach ungemein, still zuhören und Aufmerksamkeit sowie Sympathie heucheln zu müssen; insbesondere beim Transfer von bereits hinlänglich bekannten Daten. Dies vermag nach außen selbstredend unhöflich zu wirken; nicht selten brüskiere ich mit meinem abwertenden Benehmen meine Gesprächsteilnehmer – doch andernfalls stürbe ich eines qualvollen Langweiletodes. Oder verließe ohne Vorwarnung wortlos die soeben stattfindende Unterredung (ereignete sich ebenfalls wiederholt, mea culpa). Resultierend aus erdrückender Langeweile, zermürbender Frustration und folterndem Phlegma.

Doch siehe da: Von Zeit zu Zeit eröffnen sich sogar mir unerwartete Lichtblicke in Form fortschreitender mechanischer Wellendeformationen in den uns umgebenden Medien. Individuen, mit denen ich mich auf Augenhöhe unterhalten darf. Ernsthafte Liebschaften und Partnerschaften traten retrospektiv betrachtet stets mit Wesen ein, die meinen flinken Gedankengängen folgen konnten – und ich im Gegenzug den Ihrigen. Die auf meinem Niveau dachten – und mich infolgedessen fortlaufend zu überraschen vermochten. Mit jenen kostbaren Juwelen finden inspirative Austausche statt, die weit abseits der alltäglichen Norm angesiedelt sind. Sie sind kreativer. Lehrreicher. Philosophischer. Absurder. Abstrakter. Sie brechen mit Karacho und Fanfarenstößen aus gewohnten Bahnen heraus, tänzeln elegant von Thema A über Thema ẞ zu Thema ∜, schaffen neue Erkenntnisse, knüpfen aufregende Symbiosen, eröffnen unerwartete Perspektiven, revidieren Bekanntes, kitten Bildungslücken, sind voll von Leidenschaft, Spieltrieb und Neugierde.

Es sind Geschöpfe wie sie, die mein Innerstes berühren und wahre, ehrliche Absichten erwecken können. Die mich aufhorchen lassen und meine ungeteilte Aufmerksamkeit auf sie lenken. Die Geistesabwesenheit in Interesse verkehren und die Lust auf kommunikative Diskurse neu entfachen. Es sind rare, folglich ungemein wertvolle Ausnahmen für mich.

Bei allen anderen Personen indes versuche ich künftig vermehrt, potenziellen Dialogen bewusst aus dem Wege zu gehen. Respektive diese auf ein notwendiges, zur Pflege sozialer Attribute benötigtes Minimum zu beschränken – was mir unterdessen recht leicht von den Lippen geht, da ich mir die simplen Schemata für Smalltalk und seichte Äußerungen zähneknirschend erfolgreich aneignete; ich schenke meinen Gesprächspartnern daher just solcherlei auditive Antworten, die sie auf ihre Äußerungen intuitiv erwarten; schmeichele ihnen damit und spiele im Grunde genommen doch nur perfide Spielchen mit ihrer tumben kommunikativen Naivität – bis sie selbst aus bloßer Langeweile ob meiner unverblümten Teilnahmslosigkeit wiederum ihr eigenes Interesse an mir verlieren und mir hiermit in letzter Instanz weiterhin meine geliebte Ruhe gewährleisten. Ich verkörpere das Zitat: „Besser schweigen und als Narr erscheinen, als sprechen und jeden Zweifel beseitigen.”

2 Kommentare

  1. Ridcully

    Im Grunde bin ich auf diese Seite gelangt, weil ich nach einem LotW-Transkript gesucht habe. Und nachdem ich fand, wonach ich gesucht habe, dachte ich mir, dass die Hauptseite ja womöglich ganz interessant sein könnte.
    Und tatsächlich: Ich muss sagen, dass mir deine Seite gefällt, auch wenn ich bisher nur zwei Beiträge gelesen habe. Einmal geht es um deinen “Reichtum” und dann diesen hier.
    Ich bin gespannt, was ich noch alles auf deiner Seite finde. Aber ich bin mir sicher, es ist spannender als das Meiste, was ich sonst so im Internet durchstöbere, wenn ich mal Langeweile habe.

    Herzlichen Glückwunsch übrigens zum Reichtum und außerdem mag ich deinen Schreibstil, der ja durchaus (gewollt?) philosophisch anmutet. Freue mich schon aufs weitere Stöbern!

    Alles Gute

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    • Krony

      Moin Ridcully,

      vielen Dank für die Blumen und dazu massig Leidensresistenz beim munteren Durchforsten der Seite ?

      Krony

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