Die Kunst des Wartens

Die Kunst des Wartens

Warte mal – warten stellte eine Kunst dar? “Welch törichte Flause!“, mögest du monieren. Nun ja, jetzt wart’s doch erst einmal ab 🙂

Also. Warten. Im Sinne vom schmerzhaft zäh voranschreitendem, ungeduldigen Umherstehens denn vom Hegen und Pflegen marodierender Apparillos. Das Warten auf ein sehnlichst ersehntes Ereignis stellt die wohl unproduktivste Beschäftigung auf diesem so hektischen Planeten dar. Denn – ein durchschnittlicher wartender Warter beabsichtigt in seiner abzuwartenden Zeit nicht weniger als das in sich intuitive Paradox, die in das eigentliche Warten investierte Zeitspanne durch Selbiges bestmöglich totzuschlagen; in der erpichten Hoffnung, die emphatisch erwarteten postwartenden Meta-Lande zu erreichen. Ergo setzt sich der klassische Warter intensiv mit der Zunichtemachung seiner eigenen Beschäftigung auseinander. Die Krux jener Absurdität: Beschäftigung im Kampf gen besagter Beschäftigung zu suchen stellt, o Wunder, auch eine Beschäftigung dar – die zur Beschäftigungsbekämpfung benötigte Beschäftigung des Warters sorgt in sich selbst für weitere, nahezu unendlich langsam verrinnende Beschäftigung. Die Geburt eines Teufelskreises.

So stehen denn dieser Tage Myriaden junger Menschenkinder einzeln oder in sanft voranwallenden Schlangen geparkt vor stählernen Bahngleisen, heimelig beleuchteten Schaltern, herrischen Türen und massiven Toren umher. Unruhigen Fußes genervter Mine periodisch die auf dem Smartphonedisplay dargestellte Zeit überprüfend. Mosernd, maulend, angepisst. Fleischgewordene Ruhelosigkeit. Wehe, es verrännen auch nur fünf mickrige Minütchen des eigenen Lebens aufgrund der beharrlichen Beschäftigung blanken Wartens. „Ich könnt’ ja was verpassen!„, lautete just in diesem Moment die salopp dahergehauchte Begründung ob der um sich greifenden Wartehektik. Doch horche auf, Wartender – denn jene so exorbitant unbedeutende, bläulich schimmernde Kugel, auf welcher du zuweilen zu verweilen vermagst, hielte trotz deines Wartens stur an ihrer unzählige Äonen weilenden Eigenrotation fest – gleich, ob du nun so scheinbar nutzlos wartetest oder nicht.

Einst verwies eine wahrlich weise Lehrerin meiner ersten schulischen Stufe ungeduldig wartende Schüler wie meine Wenigkeit stets freundlich lächelnd auf ein mit großen goldenen Lettern beschriftetes Schildchen an der ansonsten überaus farbenfroh behangenen Wand des heimeligen Klassenzimmers. GEDULD, stand’s dort geschrieben. Jene Lehrerin lehrte unserer Klassengemeinschaft im Laufe der Schuljahre, dass wir abzuwartende Zeit fern jeglichen Grolls akzeptieren müssten – und könnten. Wir sollen uns weiter dadurch unsere ach so lebensfrohe Laune nicht verderben lassen. Und wir warteten. So, wie Millionen anderer Menschen in allen Herrenländern zur selben Zeit warteten. Und wie es Milliarden und Abermilliarden vorheriger Generationen taten. Unsere heutige Existenz beweist, dass ihnen hierbei ihre eigene Zeit nicht davon lief.

So höre, geduldig das Ende dieses Artikels abwartender Leser, endlich damit auf, Wartebeschäftigung im Warten zu suchen. Möge dein Handy noch so verlockend Sekunden genaue Zeitansagen wiedergeben; tickte deine Uhr noch so laut. Zeit, Welt und erstaunlicherweise nahezu allen Menschen sind es schurzpiepegal, ob du zu einem Termin nun auf die Attosekunde pünktlich aufkreuzt oder der deutschen peniblen Gründlichkeit entgegen fünf Minuten später erscheinst. Lege dir eine gesunde Portion südländische Gelassenheit zu – denn die Uhren drehen sich auch ohne dich weiter. Und das zudem außerordentlich geschmiert. Deine eigene Lebenszeit hingegen ist nun einmal von Natur aus gegeben stark begrenzt, mitunter gar kürzer als die anderer Menschenkinder wie meiner Person. Du selber entscheidest ergo kraft deines Amtes, ob du deine kostbare Lebenszeit mit nervösem Warten samt einhergehender schlechter Laune verbringen wolltest – oder die dir auferlegte Wartezeit anderweitig nutzest.

Um’s schön unseriös-esoterisch auszudrücken: “Freue dich deines Lebens, chacka!” 😀 Stimme mit anderen, ebenso friedlos wartenden Wartern in deiner Nähe spontane Lieder Gespräche an – ein ideales Einstiegsthema stellte beispielsweise das beiderseit erlittene Warten dar. Gemeinsam schimpft sich’s besser. Oder tauche in die fantastischen Welten eines erregenden Pornos Buches ein. Lausche schmetternder Musik, telefoniere mit seit langem vernachlässigten Freund- und Bekanntschaften. Und siehe da, rastloser Warter: Deine abzuwartende Zeit wird entgegen aller Erwartung wie im Fluge verrinnen. Mit dem Ergebnis, dass du unter dem Strich genau das erhältst, wofür du ursprünglich wartetest. Nur viel entspannter und glücklicher (wiederholtes pseudoesoterisches chacka!). Warten, ohne Warten abzuwarten – das ist die eigentliche, banale Kunst des Wartens. Jeder kann’s, doch nur wenige tun’s 🙂

Foto: “Unbenannt” von “*m22“.

3 Kommentare

  1. Marvin

    Gelungen philosophische Abhandlung des Themas Warten. 🙂
    Entgegen deines Randkommentars finde ich den letzten Absatz nicht esoterisch – nicht einmal pseudo.
    Formuliere es doch einfach als Hinweis, als Tipp, als Denkanstoß.

    Vielleicht auch: “Warten für Dummies”. 😉

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    • Krony

      Aloha Marvin,

      Denkanstöße gelten dieser Tage leider scheinbar als zu anstrengend, da wird lieber ausdauernd auf vorgekaute, medial nicht einmal eindrucksvoll präsentierte Musterlösungen der Marke “wir übernehmen das Denken für dich” gewartet. Folglich schalteten viele Leser bereits bei Lesen des Wortes “Denkanstoß” geistig ab – oder klickten die betroffene Seite an der Grenze zur ultimativen geistigen Panik blitzschnell weg. Wenngleich mir persönlich die Idee eines kleinen, knallgelben “Warten für Dummies”-Ratgebers äußerst zusagt, danke für diese Rückmeldung 🙂

      Grüße, Krony

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  2. Marvin

    Bitte editieren: *gelungene Abhandlung*

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